Die Förderung der Hartz-Industrie

Psychotests gegen Marktversagen

Die Beschäftigungsträger leiden.  Die Bundesregierung hat die Mittel für 1-Euro-Jobs massiv gekürzt. Den Jobcentern stehen für das Haushaltsjahr 2012 weniger Bundesmittel zur Verfügung. In diesem Jahr waren es 880 Millionen Euro (18,9%) weniger Ausgabemittel für „Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II“ (Hartz IV) als 2011 bzw. 2,573 Milliarden Euro (40,5%) weniger als 2010.

FDP, die Grünen und der Paritätische Wohlfahrtsverband legten Konzepte vor, um den zweiten Arbeitsmarkt mit bis zu 200.000 zusätzlichen Stellen für Langzeitarbeitslose zu versorgen. Was steckt hinter den Plänen, die Arbeitslosenindustrie zu revitalisieren?

Bezahlung nach Tarif - ein Wunschtraum

Ungeklärt ist zunächst die Lohnhöhe der neuen Jobs. In Beispielrechnungen wird von 1.100 € ausgegangen, was sich aus dem Regelsatz, den Unterkunftkosten, der Kranken- und Pflegeversicherung sowie einer Arbeitgeberpauschale von 220 € zusammensetzt. Mehr als der Regelsatz wird davon netto nicht bleiben. Offen ist zudem die wöchentliche Arbeitszeit. Eins-zu-eins Bezahlung ist passé. Die Tarifanbindung ist im Vorschlag des Paritätischen lediglich als Wunsch in der Fußnote enthalten, im FDP-Vorschlag nicht erwähnt und bei den Grünen vom Grad der Leistungsminderung abhängig gemacht. Die Vermittlungshemmnisse sollen vom psychologischen Dienst der Arbeitsagentur oder einer Kommission nach drei Kriterien bestimmt werden.

Psychologisierung des Arbeitsmarktes

Individuelles Fehlverhalten erklärt die Psychologie. Den Arbeitsmarkt bestimmen Politik und Wirtschaft. Gilt diese einfache Wahrheit nicht mehr? Es ist von Langzeitarbeitslosen die Rede, deren Ein- oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt aufgrund von Handicaps schwer ist. Zwischen Arbeitslosen und Schwerbehinderten gibt es aber einen wesentlichen Unterschied: Arbeitslose sind frei und müssen leistungsgerecht bezahlt werden. Der Klassifizierung liegt ein Menschenbild zugrunde, welches nicht mehr von Chancengerechtigkeit ausgeht, sondern von Krankheitsbildern. Aus Chemnitz wird ein Fall berichtet, wonach der pychologische Dienst der Arbeitsagentur einen Erwerbslosen als psychisch krank eingestuft hat und dann eine Umschulung verweigert wurde. Die Beratungs- und Vermittlungsindustrie hilft mittels quasi-therapeutischen Rollenspielen und Kreativ-Übungen Niedriglohnbeschäftigte zu rekrutieren. Die psychologische Begutachtung von Arbeitslosen als ist daher mehr als fragwürdig. Offensichtlich soll mit Kompetenzdiagnostik der Weg in einen Job am ersten Arbeitsmarkt und eine tarifliche Bezahlung damit unterbunden werden. Allein den Beschäftigungsfirmen nützt dies sich zu finanzieren. Die Langzeitarbeitslosen dagegen finden sich in einer Endlosschleife eines gigantischen Niedriglohnsektors.

Ein sinnvolles Konzept für den zweiten Arbeitsmarkt

Die Sanktionierung in niedere Tätigkeiten mit geringem Lohn ohne Tarif nimmt bedrohliche Ausmaße an. Die Beschäftigungsfirmen haben sich auf die Bundesagentur für Arbeit eingestellt und zwingen Langzeitarbeitslose in den Niedriglohnsektor. So werden in einer Stadt 80 % des Garten- und Landschaftsbaus von Beschäftigungsträgern übernommen. Die Mindestforderung ist die Quote zu senken - etwa auf 30 %. Die Vermittlung in Helferberufe in der Privatwirtschaft müsste noch strengeren Quotenvorgaben erfüllen, um eine Missbrauchssperre zu bieten.

Es geht um die Menschenwürde

Kurzfristig helfen Quoten, um das Prinzip gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit besser durchzusetzen. Langfristig hilft Equal Pay nicht allein, die Menschenwürde von Arbeitslosen sicher zu stellen, sondern eher ein garantiertes Mindesteinkommen ohne Sanktionsmechanismen und Psychotests für Arbeitslose.